Psst! Ich glaube...

Das Lied "Welch ein Freund ist unser Jesus" ist in vielen christlichen Gemeinschaften, darunter auch in russlanddeutschen Gemeinden, fester Bestandteil des geistlichen Liedgutes.

Der Text stammt von Joseph Medlicott Scriven, einem irischen Dichter, der ihn 1855 aus persönlichem Schmerz und Leid schrieb. Das Lied betont die Freundlichkeit und Gnade Jesu, besonders in Zeiten von Leiderfahrung. Die Funktion des Liedes im Rahmen russlanddeutscher Frömmigkeit liegt vor allem in seiner Fähigkeit, Trost und Hoffnung zu spenden und die Beziehung zwischen dem Gläubigen und Jesus zu stärken.

Diese Botschaft hatte eine besondere Resonanz während der Verfolgung der russlanddeutschen Minderheit und der Christen in der Sowjetunion. In diesem Kontext diente das Lied als Medium, um individuelle und kollektive Erfahrungen und Gefühle auszudrücken und stärkte die spirituelle Identität der Gemeinschaft.

 

Text: Joseph Medlicott Scriven (1819-1886)

Melodie: Charles Crozat Converse (1832-1918)

Chorleitung der präsentierten Version: Benjamin Janzen

 

 

Zitate von Zeitzeug*innen:

Das "Wunder der Taufe” in der Sonderkommandantur
Gerhard Götz, 1947
> 1 min
Misstrauen innerhalb der Gemeinde
Gerhard Götz, 1977
< 1 min
Glaubenskrise im Zwangsarbeitslager
Anita Priess, um 1942
< 1 min
Bibellesen im Geheimen
Johanna Jenn, 1960er Jahre
< 1 min
Diskriminierung von jungen Christen
Herta Neufeld, 1960er Jahre
< 1 min

Mehr zum Thema:

Von Beginn an mangelte es in vielen Kolonien an Pfarrern. Die Kolonisten in Südrussland führten deshalb eine mitgebrachte Tradition fort, die sich die „Stunden“ nannte. Das waren private Zusammenkünfte, unter anderem zum Singen, Beten und Bibellesen, die ihnen noch aus ihrer schwäbischen Heimat bekannt waren. Dort waren die „Stunden“ weit verbreitet. 

Diese Praxis verbreitete sich nun unter den evangelischen Kolonisten. Neben den Lutheranern wurde sie auch von den Mennoniten übernommen. Sie richteten regelmäßige, selbstorganisierte Zusammenkünfte ein, aus denen „Brüdergemeinschaften“ hervorgingen, die unabhängig von der Kirche funktionierten.

Weil viele russlanddeutsche Christen private Zusammenkünfte zum Gebet, zur Andacht oder Predigt gewohnt waren, blieb ein Teil des religiösen Lebens auch nach der Zerschlagung der Kirchen bestehen.Ab 1941 musste ein Großteil der russlanddeutschen Männer zur Arbeitsarmee, während ältere Frauen und Kinder in Sondersiedlungen lebten. Dort gelang es einigen von ihnen, Gebetskreise nach dem Vorbild der Brüdergemeinschaften im Geheimen abzuhalten. Katholiken, evangelische Christen – von Lutheranern über Mennoniten bis hin zu den Adventisten – trafen sich gemeinsam. Der Zusammenhalt war vielerorts größer als die konfessionellen Unterschiede.

Ab 1956 kehrten überlebende Männer aus der Arbeitsarmee zurück zu ihren Familien. Sie übernahmen wieder die Führungsrolle der privaten Zusammenkünfte. Bald darauf rückten die konfessionellen Differenzen wieder in den Vordergrund. Als die religiöse Verfolgung nachließ, trafen sich die jeweiligen Konfessionen wieder separat.