Gehen oder bleiben?

Ida Bender schildert dem UdSSR-Korrespondenten der ARD, Gerd Ruge, die Lage der Russlanddeutschen (Ende 1980er-Jahre)

Die kleinschrittige Rehabilitation der Russlanddeutschen ab 1955 gab Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Für viele war die weitere politische Entwicklung ausschlaggebend. Ihr Ziel war die Wiederherstellung der autonomen Wolgarepublik. 

1965 ging daraus eine Autonomiebewegung hervor. Im März 1989 war die „Allunionsgesellschaft Wiedergeburt“ eine der größten nichtstaatlichen Initiativen des Landes. Ihre Anstrengungen wurden aber bis zur Auflösung der Sowjetunion von der Regierung ignoriert, weshalb sie ihr Ziel nie erreichen konnten.

Demgegenüber standen die Ausreisewilligen, die jedoch noch bis in die 1980er-Jahre von den Behörden schikaniert wurden. Einige stellten aus Angst vor Diskriminierung keinen Ausreiseantrag. Wie viele Menschen tatsächlich gehen wollten, zeigte sich erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Seit 1988 siedelten etwa 1,5 Millionen Russlanddeutsche aus, wohingegen etwa 600.000 Personen in den postsowjetischen Staaten verblieben.

Bühne frei für „Die Ersten“

Nach dem Tod Stalins erhielten Russlanddeutsche gewisse kulturelle Freiheiten zurück. Ab 1957 war erstmals wieder muttersprachlicher Deutschunterricht erlaubt. Im gleichen Jahr erschien das erste deutschsprachige Rundfunkprogramm bei Radio Alma-Ata. Einerseits forderten Russlanddeutsche wie Ida Bender mehr Minderheitenrechte ein, andererseits stieg jedoch die Zahl der Ausreisen bis 1977 auf über 9.000 Personen pro Jahr an.

Um den Bleibewillen in den östlichen Verbannungsorten zu stärken und den Forderungen der Interessengruppen entgegenzukommen, beschlossen die Organe der Kommunistischen Partei die Gründung eines Minderheitentheaters. Diese Idee schien der Partei als ein Zugeständnis mit dem geringsten Konfliktpotential für die Gesellschaft zu sein. Dass dieses Theater während der späteren Regierungszeit von Michail Gorbatschow eine gesellschaftliche und politische Sprengkraft entfalteten sollte, war für die staatlichen Kulturbehörden zum damaligen Zeitpunkt noch undenkbar.

 

Sie wollen mehr über das Deutsche Schauspieltheater erfahren? Dann besuchen Sie die frei verfügbare Webdoku „Auch wir treten aus unserer Rolle heraus“.

Ein Projekt des Kulturreferats für Russlanddeutsche am Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte.

 

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